Netzwerk Trauma

Hilfreiche Rahmenbedingungen für Menschen mit psychischer Traumatisierung in der beruflichen Rehabilitation
4. Juli 2017

Jeder Zehnte in unserer Gesellschaft leidet an den Folgen eines psychischen Traumas. Die Bedeutung einer psychischen Traumatisierung wurde von der Wissenschaft erst in den letzten Jahren als Ursache vieler psychischer Störungen erkannt und verstanden. Im KJF Berufsbildungs- und Jugendhilfezentrum Sankt Elisabeth in Augsburg sind mehr als 20% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer von einer psychischen Traumatisierung betroffen.

Ursachen psychischer Traumatisierung sind häufig Erfahrungen von körperlicher und seelischer Gewalt; sexueller Missbrauch, starke oder gar lebensbedrohliche Vernachlässigung in der frühen Kindheit, plötzlicher Verlust einer nahen Bezugsperson, Unfälle oder dramatische Krankheitsverläufe, aber auch das Miterleben solcher Ereignisse aus der Beobachterperspektive. Zentrale Aspekte von traumatischen Erlebnissen sind dabei stets Gefühle von Hilflosigkeit, Ausgeliefert sein und Kontrollverlust. Diese führen zu einer grundlegenden Erschütterung des Selbst- und Weltbildes.

Die Folgen einer psychischen Traumatisierung sind häufig verminderte psychische Belastbarkeit und ein geringes Selbstvertrauen. Die Bereitschaft, sich Lernsituationen auszusetzen und die Fähigkeit anderen Menschen zu vertrauen, werden durch die psychische Traumatisierung geschwächt.

So kann sich eine psychische Traumatisierung bei jungen Menschen äußern:

  • Unruhe, Schlafstörungen, Albträume
  • Konzentrationsschwierigkeiten, Leistungsstörungen
  • Angstzustände
  • Übererregbarkeit, Gereiztheit, Hyperaktivität
  • Gesteigerte Aggressivität, Wutausbrüche
  • Vermeidungsverhalten von Situationen im Alltag
  • Verhaltensauffälligkeiten, Ablehnung, Verweigerung
  • Sozialer Rückzug, gestörte Bindungsfähigkeit
  • Extremer und schneller Stimmungswechsel
  • Selbstverletzendes Verhalten wie Ritzen und Essstörungen

Hilfreiche Rahmenbedingungen für Menschen mit psychischer Traumatisierung in der beruflichen Rehabilitation

Die Belastungen einer psychischen Traumatisierung führen häufig auch zu Schwierigkeiten, in einem beruflichen Leben Fuß zu fassen. Die berufliche Rehabilitation psychisch traumatisierter junger Menschen in Sankt Elisabeth basiert auf folgenden Grundsätzen:

  • Regelmäßige traumaspezifische Schulungen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Sankt Elisabeth bilden die Grundlage für den alltäglichen Umgang mit traumatisierten jungen Menschen.
  • Spezielle Wohnkonzepte bieten Schutz und Sicherheit.
  • Eine therapeutische Begleitung durch speziell geschulte Traumatherapeutinnen hilft den Betroffenen bei der Aufarbeitung des Erlebten.
  • Die enge Zusammenarbeit mit Fachambulanzen und -kliniken bildet ein Netzwerk zusätzlicher Unterstützung.

Traumatisierte junge Menschen haben extreme Verunsicherung und Hilflosigkeit erlebt. Darum brauchen sie für eine gelingende Berufsausbildung vor allem Schutz und Sicherheit. Zum einen rein räumlich, aber auch durch das Erleben von Selbst-Kontrolle und Selbstwirksamkeit. Darüber hinaus kommt insbesondere der Beziehungs- und Bindungsarbeit eine besondere Bedeutung zu: Konstante Bezugspersonen, die im Kontakt mit den traumatisierten jungen Menschen Regeln transparent machen, Konflikte aushalten und auf schwieriges Verhalten angemessen reagieren können, weil sie es in Bezug zu dem erlebten Trauma setzen können. Bezugspersonen, die auch bei unangemessenen Verhaltensweisen der traumatisierten jungen Menschen nicht aus dem Kontakt gehen. Pädagogisches Personal, das es immer wieder aushält, wenn junge Menschen an eigene oder von außen vorgegebene Grenzen gehen und aus professioneller Distanz angemessen darauf reagieren können.

Fazit – Erfolge in der Rehabilitation von Betroffenen

Beobachtungen von zahlreichen individuellen Rehabilitations-Verläufen zeigen, dass in Sankt Elisabeth eine traumaspezifische Gestaltung des individuellen Reha-Prozesses zu guten Erfolgen führen kann. Umfassende, langanhaltende und schwerwiegende Einschränkungen in der Leistungsfähigkeit und in der persönlichen Belastbarkeit konnten in zahlreichen dokumentierten Fällen überwunden werden. Das oben beschriebene „heilende Milieu“ unterstützt traumatisierte junge Menschen, mit all ihren Sinnen in der Gegenwart zu leben, sich selbst mehr zuzutrauen und für sich selbst den Gedanken an eine selbstgestaltete Zukunft zuzulassen.

Das Milieu in einer Einrichtung wirkt umfassend: Ein heilendes Milieu, in dem Menschen erfahren, dass sie sich auf sich selbst verlassen und in dem sie in einem Ziel – etwa dem eines Ausbildungsabschlusses – einen Sinn für ihre Lebensgestaltung erkennen können, ist sicher auch für all die Teilnehmenden in der Einrichtung förderlich, die nicht an Traumafolgestörungen leiden. 

 

Dipl.-Psychologin Cornelia Kappus
Psychologischer Fachdienst
Sankt Elisabeth
KJF Berufsbildungs- und Jugendhilfezentrum

 

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